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Zell am Main Gesamtüberarbeitung Flächennutzungsplan

Würzburg, 27.04.2015
Markt Zell – Gesamtüberarbeitung Flächennutzungsplan

hier: Stellungnahme des BUND Naturschutz gemäß § 4 Abs. 1 BauGB

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Kreisgruppe Würzburg des BUND Naturschutz bedankt sich für die Beteiligung am oben genannten Verfahren und gibt im Namen des Landesverbandes und in Absprache mit der Ortsgruppe Zell am Main folgende Stellungnahme ab:

 

Zu den Änderungspunkten 1, 2, 3, 7 und 9:

Der BUND Naturschutz stimmt diesen Änderungspunkten zu.

Der Umwidmung des Gewerbegebietes zum Wohnbaugebiet hatte der BUND Naturschutz schon zugestimmt, da keine Neuversiegelung erfolgte (Änderungspunkt Nr. 1). Beim Änderungspunkt Nr. 2 regen wir zudem an, bei der Ampelanlage Auffahrt Staatsstraße einen Fußgängerüberweg zum Radweg zu berücksichtigen. Der BUND Naturschutz begrüßt die Umwidmung von Flächen für Wohnbebauung (Änderungspunkt Nr. 3) bzw. einer Deponie (Änderungspunkt Nr. 7) in landwirtschaftliche Nutzflächen sowie den Verzicht auf die ehemals vorgesehene Aufforstung und die Festschreibung der dortigen aktuellen Situation (Änderungspunkt Nr. 9).

 

Zu den Änderungspunkte 4 und 5

Der BUND Naturschutz lehnt die Änderungspunkte 4 und 5 im vorliegenden Flächennutzungsplan ab.

Begründung:

Das Bayerische Landesamt für Statistik prognostiziert für den Landkreis Würzburg insgesamt einen leichten Rückgang der Bevölkerungsentwicklung um 1,9 % bis 2032 gegenüber 2012 (Stand Juni 2014). Dabei geht der Anteil der Einwohner mit einem Alter zwischen 18 und 40 Jahren um 12,4 % zurück. Der Anteil  der 40- bis 65-Jährigen  sinkt um 16,4 %. Für die Stadt Würzburg wird insgesamt keine Veränderung prognostiziert. Aber auch hier sinkt der Anteil der 18- bis 65-Jährigen um insgesamt 11,5 %. Damit nimmt vor allem die Altersgruppe deutlich ab, die neuen Wohnraum benötigt bzw. selbst neu baut. In der Gesamtbetrachtung ist es daher zum einen äußerst unwahrscheinlich, dass die in der Begründung zu den Planunterlagen dargestellte jährliche Zunahme der Bevölkerungszahl für den Markt Zell von 0,5 % eintreten und ein entsprechender Bedarf an neuem Wohnraum im berechneten Umfang bestehen wird. Damit ist die Notwendigkeit der Ausweisung weiterer Baugebiete im Flächennutzungsplan nicht gegeben. Schon die vorhandenen ausgewiesenen Flächen (laut Planunterlagen trotz großzügiger Abzüge noch immer 3,20 ha netto) sind mehr als ausreichend. Nicht nachvollzogen werden kann auch das Argument, dass 10 % der Altortwohnungen zukünftig nicht mehr nutzbar sind, eine Sanierung nicht möglich erscheint und wohl sogar abgerissen werden sollen („Auflockerungsbedarf“ 0,95 ha). Im Gegenteil: Die Altortsanierung ist dringend notwendig und sinnvoll. Die Ausweisung neuer Baugebiete ist kontraproduktiv hierzu. Zell am Main verfügt über zahlreiche wertige, aber vernachlässigte Häuser. Durch eine intensive Belebung des Altorts durch die Gemeinde steigt der Anreiz für private Investoren, diese zu erhalten. Außerdem verfügt Zell am Main über zahlreiche historisch wichtige Gebäude/Areale wie den Judenhof mit der Laubhütte, den Klosterhof mit der Kapelle mit Originalstuck aus dem 17. Jahrhundert, dem Weinschloss und dem intakten Kloster Oberzell. Die Sanierung und Weiterentwicklung des Ortes muss Priorität vor der Neuausweisung neuer Baugebiete haben. Ein intakter Altort ermöglicht auch einen sanften Tourismus. Auch das Baugesetzbuch schreibt einen sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden vor (§ 1 a (2)). Gemäß Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) aus dem Jahr 2013 soll der Ressourcenverbrauch in allen Landesteilen vermindert werden (Grundsatz 1.1.3). Auch das Umweltweltbundesamt fordert sehr deutlich einen sorgsameren Umgang mit Grund und Boden: „Insgesamt sind die Inanspruchnahme immer neuer Flächen und die Zerstörung von Böden auf die Dauer nicht vertretbar und sollten beendet werden. Angesichts global begrenzter Landwirtschaftsflächen und fruchtbarer Böden sowie der wachsenden Weltbevölkerung ist der anhaltende Flächenverbrauch mit all seinen negativen Folgen unverantwortlich. Dies gilt auch und besonders mit Rücksicht auf künftige Generationen.“ (siehe: http://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten).

Dennoch möchte die Gemeinde 8,52 ha Netto-Bauland (nach Abzug von Verkehrsflächen, Grünstrukturen, etc.) neu ausweisen und hätte damit sogar einen Überschuss von 2,77 ha Nettobauland im Vergleich zum in den Planunterlagen angeführten Bedarf bei einem jährlichen Bevölkerungswachstum von 0,5 % (siehe hierzu aber obigen Einwand). Das Argument dass dieser Mehrbedarf nötig sei, um bei Grundstücksverhandlungen erfolgreich zu sein, ist mehr als abenteuerlich. Auch die in den Bedarf eingerechneten „Zuschläge“ von 15 % aufgrund der Lage zum Oberzentrum müssen kritisiert werden, da diese ja schon durch das angenommene Wachstum von 0,5 % (aufgrund der Nähe zum Oberzentrum) abgedeckt wären.

Die Neuausweisung widerspricht auch dem Leitbild der Marktgemeinde Zell am Main / Unterpunkt Umwelt, das auch der Sanierung des Altortes Vorrang einräumt vor der Neuausweisung von neuen Baugebieten.

Der BUND Naturschutz ist auch verwundert, dass der Markt Zell einerseits in der Begründung zum Bebauungsplan (Punkt 3.2) seine außerordentlich hohe Bevölkerungsdichte für eine Vorortgemeinde beschreibt, andererseits mit der Neuausweisung von Bauland diese Siedlungsdichte aber auch noch weiter erhöhen will. Wir weisen zudem darauf hin, dass die Ausweisung neuer Baugebiete auch zu einer Erhöhung der Verkehrsbelastung im Ort führen wird.

Die neuen Baugebiete werden auch nicht durch ÖPNV erschlossen und der Anteil der Radfahrer wird wegen der Topographie des Geländes gering sein.

Der BUND Naturschutz widerspricht auch dem Umweltbericht, der für die Flächen in den Änderungspunkten 4 und 5 eine Beeinträchtigung von „Arten und Lebensräumen“ ausschließt. Im Einflussbereich der geplanten Baugebiete liegen kartierte Biotope (z. T. auch vom ABSP erfasst), die direkt oder indirekt (durch Störungen) durch die Baugebiete beeinträchtigt werden würden. Zum Teil würde es zu Zerschneidungseffekten kommen, einzelne Biotope wären stärker isoliert. Das Vorkommen europarechtlich geschützter Arten ist zu überprüfen. Für die Schlingnatter ist ein Nachweis im Gebiet bekannt. Auch die Zauneidechse sowie diverse Vogelarten (z. B. Feldlerche) dürften hier vorkommen.  Daher sind entsprechende Untersuchungen (saP) durchzuführen.

Der Umweltbericht erkennt auch keine Beeinträchtigungen für die geplanten Wohngebiete durch Lärmemissionen. Dem muss widersprochen werden, da sich der Flugplatz Schenkenfeld durchaus störend auf die Wohnqualität auswirkt. Die Marktgemeinde unterstützt eine Bürgerinitiative gegen den Fluglärm vor allem durch den Flugplatz Schenkenturm

Zumindest das geplante Baugebiet Nr. 4 würde auch in unmittelbarer Nähe zu einer 20 kV-Hochspannungsleitung liegen. Möglicherweise werden die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte nicht überschritten. Diese orientieren sich aber nur an der thermischen Belastung und sind daher zu hoch angesetzt. Zahlreiche Institutionen und Baubiologen fordern deutlich niedrigere Vorsorgewerte. Daher sollte der Abstand zur Hochspannungsleitung mindestens 200 m betragen.

 

Zu Änderungspunkt Nr. 6:

Diese Maßnahme ist schon vollzogen. Sie beeinträchtigt leider das Wasserschutzgebiet.

 

Zu Änderungspunkt Nr. 8:

Eine Waldrücknahme sieht der BUND Naturschutz kritisch. Die Begründung, hier einen naturnahen Waldrand gestalten zu wollen, erscheint vorgeschoben. Warum ist dies nur hier vorgesehen und nicht auch an anderen Standorten? Hauptziel scheint es zu sein, die Beschattung von Wohnhäusern zu reduzieren, was aber aufgrund der steilen Nord-Hanglage nur bedingt gelingen dürfte. Auch  handelt es sich um einen Schutzwald.

 

Allgemeines:

Der BUND Naturschutz fordert die Aufstellung eines Landschaftsplanes. Nur so können die Entwicklung von Natur und Landschaft gezielt verbessert und wertvolle Bereiche nachhaltig erhalten werden. Konfliktpunkte werden leicht erkannt und können gelöst werden.

Eine Berechnung des Ausgleichsbedarfs ist schon auf der Ebene der Flächennutzungsplanung notwendig, da die Kommune ansonsten nicht abschätzen kann, welche Ausgleichsforderungen aufgrund der geplanten Neuausweisungen entstehen und ob diese überhaupt in der Gemarkung Zell umgesetzt werden können. Ohne eine entsprechende Berechnung fehlt dem Markt Zell eine wichtige Entscheidungsgrundlage!

Im Bereich entlang der Neuen Straße bis zum „Brückle“ und wieder zurück bis zur Sonnenstraße sind im bestehenden Flächennutzungsplan Wohnbaugebiete ausgewiesen. Diese sollten wieder aus dem Flächennutzungsplan herausgenommen werden, da es sich aufgrund der dort kleinteiligen Streuobstwiesen, vielzähligen Hecken und entsprechenden Tier- und vor allem Vogelarten um ökologisch wertvollste Flächen handelt, die eine  Bebauung nicht zulassen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Jodl                                                   Norbert Herrmann
Geschäftsführer                                             1. Vorsitzender OG Zell