Gewerbegebiet Würzburg Nord
Stadt Würzburg
97067 Würzburg
19.09.2012
91. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Würzburg sowie
Bebauungsplan „Gewerbegebiet Würzburg-Nord“ und Änderung des Bebauungsplanes „Sondergebiet Würzburg-Nord“
hier: Stellungnahme des Bund Naturschutz gemäß § 3 (2) BauGB i. V. m. § 4 (2) BauGB
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Kreisgruppe des Bundes Naturschutz bedankt sich für die Beteiligung am oben genannten Verfahren und gibt im Namen des Landesverbandes folgende Stellungnahme ab:
1. Artenschutz
Das überplante Gebiet ist Teil des Gesamtlebensraumes für den Feldhamster. Gemäß Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) Artikel 16, sind Eingriffe, die den Feldhamster stören könnten, nicht zulässig. Ausnahmen sind nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Grundlegend ist u. a., dass sichergestellt sein muss, dass die Populationen des Feldhamsters trotz des Eingriffes in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen. Der Erhaltungszustand ist aber zumindest für das Teilvorkommen Versbach-Rimpar/Maidbronn als mittel bis schlecht eingestuft (siehe Umweltbericht, S. 12). Da dieses Teilvorkommen zur betroffenen Population gehört, kann somit nicht von einem günstigen Erhaltungszustand gesprochen werden.
Zu berücksichtigen ist auch die Gesamtwirkung aller Eingriffe in den Lebensraum des Feldhamsters in diesem Gebiet als Summation.
Eine weitere Voraussetzung für die Genehmigung eines Eingriffs in den Feldhamsterlebensraum, ist das Vorliegen von zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses. Dies ist aus Sicht des Bund Naturschutz nicht gegeben (siehe auch 2. Planerfordernis). Anmerkung: Eine Abwägung, wie im Baurecht, ist nicht möglich. Alternativen sind zu prüfen.
Neben dem Feldhamster sind auch weitere Offenlandarten wir Feldlerche, Rebhuhn, Wachtel oder Feldhase von den Planungen betroffen. Auswirkungen auf diese Arten wurden in den vorliegenden Planungen nicht ausreichend berücksichtigt. Detaillierte Untersuchungen fehlen, ebenso Aussagen zu Summationswirkungen mit schon umgesetzten Planungen.
2. Planerfordernis
Im Würzburger Nordosten befinden sich Böden mit sehr hoher natürlicher Ertragfunktion (siehe auch Punkt 5.). Diese Böden sind für die Nahrungsmittelproduktion unerlässlich. Gerade in Hinblick auf den sich vollziehenden Klimawandel müssen diese Böden erhalten werden. Auch für die Produktion von Kaltluft, sind die freien unbebauten Flächen für die Stadt Würzburg mit ihrer Kessellage von hohem Wert. Es besteht damit ein überwiegend öffentliches Interesse zum Erhalt dieser Flächen.
Zur Begründung der Planungen wird mehrfach auf die Bedeutung des zugrundeliegenden Masterplanes Würzburg-Nord-Ost mit einer Fläche von 150 ha verwiesen:
- ihm diene die Erschließung durch den neuen Straßenknoten,
- das Planvorhaben sei der Beginn der Realisierung des Masterplans.
Würde dieser Gesamt-Plan realisiert, würden sämtliche Freiflächen zwischen den bestehenden Versbacher Wohngebieten und der B 19 bis zur Stadtgrenze aufgezehrt. Damit wird die Vernichtung des restlichen Lebensraumes des Feldhamsters in Wü-Nord-Ost in demselben Atemzug angekündigt, in dem der günstige Erhaltungszustand bescheinigt wird.
Diese Planungsabsichten widersprechen damit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung, wonach
- der Flächenverbrauch in allen Landesteilen reduziert werden und die Entwicklung des Landes und seiner Teilräume so flächensparend wie möglich erfolgen soll,
- Boden vorrangig auf die angemessene Nutzung leer stehender oder leer fallender Bausubstanz – insbesondere in den Stadt- und Dorfkernen – hingewirkt und die Innenentwicklung einschließlich der Umnutzung brachliegender ehemals baulich genutzter Flächen, insbesondere ehemals von Militär, Bahn, Post und Gewerbe genutzter Flächen im Siedlungsbereich verstärkt werden soll,
- mit Grund und Boden sparsam umzugehen ist,
- bandartige Siedlungsstrukturen entlang der Straßen verboten sind und Trenngrün zwischen den Ortschaften vorgeschrieben ist,
- dem Abwägungsbelang des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden und der Begrenzung der Versiegelung auf das notwendige Maß das ihm zukommende hohe Gewicht beizumessen ist. Eine Zurückstellung dieses Belangs in der Abwägung ist daher grundsätzlich nur bei anderen Belangen von erheblichem Gewicht möglich.
Letzteres bedeutet, dass sowohl die Notwendigkeit einer zusätzlichen Inanspruchnahme von Grund und Boden nachvollziehbar zu begründen ist als auch die planerischen Mittel, durch die die zusätzliche Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzt wird, darzulegen sind. Die Wachstumspläne der Stadt lassen jede Gewichtung nach Vorrang vermissen, geplant wird vielmehr alles gleichzeitig. Es wird zwar (mit Berufung auf den Vorrang der Nachverdichtung!) verdichtet, zugleich aber
- die Konversionsfläche „Hubland“ (ehemals Leightons) – über 130 ha – beplant und entwickelt.
- die Konversionsfläche ehem. Faulenbergkaserne
- und „Würzburg-Nordost“ mit 150 ha
Nach allen Prognosen gehört Würzburg zu den wenigen Kernen, in denen die Bevölkerung noch anwächst: etwa 2025, spätestens 2030, wird auch hier der Schrumpfungsprozess beginnen (sogar in München!). Anstatt sich vorausschauend zu überlegen, welche Strukturen dann wie aufrechterhalten werden können, welche aufgegeben werden müssen, „muss expandiert“ werden. Dies widerspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit des LEPs.
Die Stadt konterkariert mit diesen maßlosen Expansionsplänen auch
- ihr eigenes Klimaschutzkonzept
- und die Vorgaben der Bundesregierung zur Reduktion von Energieverbrauch und CO2-Ausstoß.
3. Bestandsbewertung
In der Bestandsbewertung sind die überplanten Ackerflächen lediglich als Flächen mit geringer Bedeutung für den Naturhaushalt (Kategorie I) eingestuft. Es wird sogar der geringst mögliche Faktor 0,3 angesetzt. Würde man irrtümlich annehmen, dass es sich um Böden mit niedriger bis mittlerer Ertragfunktion handeln würde, dann wäre gemäß Leitfaden „Bauen in Einklang mit Natur und Landschaft“ jedoch ein Faktor von 0,6 anzusetzen (oberer Bereich der Spanne 0,3-0,6). Da es sich aber um Böden mit sehr hoher natürlicher Ertragfunktion handelt (dies steht außer Frage!, Bodenwerte bis zu 70!) müssen die Ackerflächen gemäß Leitfaden in die Kategorie II (oberer Wert) eingestuft werden. Damit ist ein Faktor von 1,0 anzuwenden (Spanne 0,8 bis 1,o).
Auch die Streuobstflächen sind falsch eingestuft. Obstbaumbestände mit Bäumen über einem Alter von 30 Jahren (dies ist hier sicher der Fall) sind in die Kategorie III einzustufen. Damit ist ein Faktor von bis zu 3 anzuwenden.
4. Ausgleichsflächen
Die Ausgleichsflächen A 1 und A 3 sind von Straßen und Gewerbeflächen umschlossen und damit minderwertig. Die Fläche A 3 wird sogar noch von Straßen durchzogen. Ein Austausch von Arten mit der Umgebung ist somit kaum möglich. Die Flächen A 1 und A 3 werden abgelehnt. Der Bund Naturschutz fordert Ausgleichsflächen mit ausreichender Verbindung zur freien Natur und Landschaft.
Der Bund Naturschutz bezweifelt, dass ein Korridor von nur 75 m - auch wenn er hamsterfreundlich bewirtschaftet wird – eine Isolierung der dann vorhandenen Teilpopulationen verhindern kann. Gemäß Umweltbericht (S. 42) ist für diese Fläche auch nur eine Anbauphase von 6 Jahre vorgesehen. Soll danach die hamsterfreundliche Bewirtschaftung eingestellt werden?
5. Verkehr und Feinstaub/Klima
Die vorgesehene Planung führt zu einer zusätzlichen Verkehrs- und Feinstaubbelastung für Rimpar und Maidbronn sowie für die Stadt Würzburg (Veitshöchheimer Straße, Mittlerer Ring, Versbach). Es ist zu untersuchen, wie sich dies mit dem Ziel der Stadt Würzburg, den Straßenverkehr zu reduzieren, und der Vorgabe einer Reduzierung der Feinstaubbelastung, verträgt. Welche Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan der Stadt Würzburg sollen eine Feinstaubbelastung verhindern? Die Stadt Würzburg zählt nach den neusten Meldungen weiterhin zu den drei am stärksten belasteten Städten Bayerns!
Eine Bebauung der Freiflächen führt zu einer Reduktion von Flächen zur Kaltluftbildung. Auch werden Kaltluftströme behindert. Dies ist gerade bei der Kessellage Würzburgs ein großer Nachteil. Jede klein negative Veränderung erhöht die Belastung der Wohnbevölkerung. Der Klimawandel wird diese Problematik verstärken. Es ist daher geradezu ein Hohn, wenn im Umweltbericht (S. 25) eine verringerte Kaltluftströmung entlang der B 19 sogar begrüßt wird, da dadurch weniger Kfz-bedingte Schadgase in Wohngebiete verfrachtet werden.
Die Straßenplanungen sind überzogen: Im Bereich zwischen dem Knoten Ikea und dem Knoten Estenfeld würden damit drei Straßen parallel verlaufen. Das ist eine unverantwortliche Verschwendung von Ressourcen, Boden und ein unnötiger und somit zu unterlassender - Eingriff in die Feldhamster-Population.
Die Verkehrsfunktion der neuen Straßenanbindung liegt in der Eröffnung eines neuen Schleichweges zur Umgehung der Hauptverkehrsstraßen – mitten durch die Ortschaften Maidbronn, Rimpar und Güntersleben. Diese Art Verkehr ist unerwünscht, auch im Hinblick auf die Mautpflicht und „Mautflüchtlinge“.
6. Böden/Wasserhaushalt
Erneut werden Böden mit sehr hoher natürlicher Ertragsfunktion überplant. Der Bund Naturschutz ist bestürzt über diesen sorglosen Umgang mit wertvollsten landwirtschaftlichen Böden, die für die Nahrungsmittelproduktion in der Region unverzichtbar sind. Gerade in Hinblick auf schon laufende klimatische Veränderungen sind derartig hochwertige Böden unbedingt zu erhalten. Auch für einen funktionierenden Wasserhaushalt sind unversiegelte Flächen eine entscheidende Voraussetzung. Die Region Würzburg gewinnt ihr Trinkwasser überwiegend aus Grundwasservorkommen. Eine zunehmende Versiegelung führt jedoch zu einer Reduktion der Grundwasserneubildungsrate. Verschärft wird diese Problematik durch die Zunahme von Starkregenereignissen (bei gleichbleibendem Gesamtjahresniederschlag). Starkregen fließt oftmals oberflächig ab.
Wir behalten uns Ergänzungen unserer Stellungnahme im Rahmen des Verfahrens vor.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen Jodl
Geschäftsführer